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Forsa-Umfrage Die Deutschen und der Klimaschutz: Wasch mir den Pelz, aber mach' mich nicht nass

Windkrafträder
Windenergieanlage auf der Halde Scholven, direkt neben dem Steinkohle-Kraftwerk Scholven
© imago stock&people
Was ist uns der Klimaschutz wert? Wollen wir neben Windrädern wohnen? Und wer ist dafür verantwortlich, dass wir die Klimaneutralität erreichen? Für den stern hat Forsa die Deutschen über ihre Haltung zum Klimaschutz befragt. Die Ergebnisse zeigen viel guten Willen und hohe Zahlungsbereitschaft – in der Theorie.

Der befragte Bürger ist ein seltsames Wesen, die befragte Bürgerin natürlich auch. Es ist oft gar nicht so einfach, herauszufinden, was er (und sie natürlich) wirklich will. Vielleicht aus einem einfachen Grund: Weil er es selbst nicht so genau weiß.

Nehmen wir den Klimaschutz. Im Auftrag des stern haben die Meinungsforscher des Forsa-Instituts Ende voriger Woche repräsentativ 1007 Bundesbürger befragt. Wie halten es die Deutschen mit der Rettung des Landes und der Welt vor der Klimakatastrophe? Zumal in Zeiten von Robert Habecks "Heizungs-Hammer" ("Bild") auf der einen und "Klima-Chaoten" (nochmal "Bild") auf der anderen. Stimmt der Eindruck einer gewissen Bockbeinigkeit? Oder sind die Deutschen zu Verzicht und Einschränkung bereit für ein höheres Ziel?

Auffallend ist jedenfalls auf den ersten Blick, dass die vermeintlich so aufgeheizten Deutschen mehrheitlich immer noch sagen, die Regierung tue zu wenig, um das Ziel Klimaneutralität 2045 zu erreichen. Zu wenig! 56 Prozent finden das. Und nur gut jedem Fünften – 22 Prozent – gehen die bisher getroffenen Entscheidungen schon zu weit. Dass die Ampel-Koalition das richtige Maß getroffen hat und genug tue, sagen lediglich 17 Prozent.

Je jünger, desto Klimaschutz

Wobei sich in dieser Frage schon eine gewisse Spaltung in der Gesellschaft zeigt. Sie lässt sich auf die platte Faustformel bringen: Je jünger, desto Klimaschutz. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen findet eine knappe Zwei-Drittel-Mehrheit – 64  Prozent –, dass die Regierung den Klimawandel zu unambitioniert bekämpft. Ab dem mittleren Alter wird diese Mehrheit dann deutlich dünner; unter den 45- bis 60-Jährigen sagen nur noch glatte 50 Prozent, dass die Ampel zu wenig tue.

Nicht sehr erstaunlich dagegen ist, dass unter den Anhängern der Grünen nur drei Prozent der Meinung sind, es werde zu viel für den Klimaschutz getan – und dass bei den FDP-Sympathisanten zehn Mal so viele diesen Eindruck haben: 32 Prozent finden die bisherigen Maßnahmen übertrieben. Getoppt wird das nur noch von den AfD-Anhängern, da sagen das sogar 52 Prozent.

So, und ab jetzt wird es etwas komplizierter. Oder verwirrender, wie man will. Denn dem Mehrheits-Eindruck, dass die Regierung zu wenig für die angestrebte Klimaneutralität mache, steht eine andere Zahl gegenüber: In der Hauptverantwortung für den Klimaschutz sieht lediglich ein Viertel der Bundesbürger (24 Prozent) die Politik. Die meisten (29 Prozent) verweisen auf Wirtschaft und Unternehmen, jeder Fünfte (21 Prozent) sieht dagegen die Bürgerinnen und Bürger zuallererst in der Pflicht, zu mehr Klimaschutz beizutragen. Und 24 Prozent sagen: alle gleichermaßen.

Wenig überraschend: Die grüne Klientel macht am stärksten die Politik verantwortlich (31 Prozent) und am wenigsten das gemeine Volk (17 Prozent). Die Anhänger der Liberalen sehen ziemlich genau umkehrt – soll man sagen: natürlich? – zuerst die Bürgerinnen und Bürger am Zug (30 Prozent) und am wenigsten die Wirtschaft (17 Prozent). Eigentlich ein mittelschweres Wunder, dass diese beiden Parteien miteinander regieren können. Wobei, so gut können sie es ja doch nicht ...

Die SPD-Freunde sind am gnädigsten

Schon erstaunlicher: Ausgerechnet die SPD-Sympathisanten entlasten am stärksten von allen die Regierenden. Nur 17 Prozent sagen, die Politik sei hauptverantwortlich für den Klimaschutz. Wenn das der Kanzler wüsste ... 31 Prozent der Anhänger der von Sigmar Gabriel so apostrophierten "Partei des entschiedenen Sowohl-als-Auch" sind dagegen der Meinung, alle seien gleichermaßen klimapolitisch gefordert. Typisch sozialdemokratisch gerecht verteilt eben.

Was soll man sagen? Ein wenig hat man nach dem Blick auf die Daten den Eindruck, dass dieses unberechenbare deutsche Völkchen beim Klimaschutz nach der Devise verfährt: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Wobei durchaus eine gewisse Bereitschaft zu erkennen ist, sein Scherflein beizutragen zum Vorhaben. Allerdings ist diese Bereitschaft erst einmal nur theoretischer Natur. Das haben Umfragen so an sich.

Jedenfalls, mehr als ein Viertel der Bürger würden sich für den Klimaschutz ins Portemonnaie greifen lassen: 28 Prozent plädieren laut Forsa-Umfrage dafür, dass die für die Klimaneutralität notwendigen Investitionen über eine Klimaabgabe finanziert werden solle, ähnlich der Solidaritätsabgabe. 41 Prozent meinen, die Kosten sollten durch Kürzungen der Ausgaben bei anderen staatlichen Aufgaben kompensiert werden. 13 Prozent halten neue Schulden für ein probates Mittel. Am stärksten ist die Auf-Pump-Fraktion mit 19 Prozent kurioserweise bei den Anhängern der Schwarze-Null-Partei CDU/CSU. Die FDP-Anhänger sind da verlässlicher. Sie sprechen sich zu 57 Prozent für Ausgabenkürzungen aus.

Von den 28 Prozent Klimaabgaben-Befürwortern würden sich viele nicht lumpen lassen. 32 Prozent unter ihnen wären bereit, bis zu 50 Euro monatlich zu zahlen; das wäre hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung jeder zehnte Deutsche. Bis zu 100 Euro würden 22 Prozent geben – hochgerechnet 6,6 Prozent aller Deutschen. 27 Prozent – hochrechnet 8,1 Prozent – wären immerhin mit 10 Euro monatlich dabei. Ein paar wenige würden sich die Welt richtig was kosten lassen: Sechs Prozent könnten sich eine Abgabe bis zu 500 Euro pro Monat vorstellen, immerhin jeder 50. Deutsche.

Wie gesagt, das sind Bereitschaftsbekundungen, die erst einmal nichts kosten. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich bei der Windrad-Frage: Gegen einen Riesenrotor im eigenen Wohnumfeld hätten 41 Prozent aller Deutschen "gar nichts". Und "sehr gestört" würden sich demnach nur 28 Prozent fühlen, vor allem im Osten (41 Prozent) und unter AfD-Anhängern (64 Prozent). Gut möglich allerdings, dass die Nicht-Gestörten über alle Parteigrenzen hinweg vor allem eines eint: dass sie in Städten wohnen, wo mutmaßlich nie ein Windrad aufgestellt wird.

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