Greenpeace-Studie In Europa könnte es viel mehr Direktverbindungen mit dem Zug geben

Berlin-Hauptbahnhof: Von dort gibt es fast keine Direktverbindung in andere europäische Metropolen
Foto: Krisztian Bocsi / Bloomberg / Getty ImagesOb von Berlin nach Brüssel oder von Paris nach Berlin – ohne umzusteigen, kommen Bahnfahrer in der Europäischen Union selten ans Ziel. Das liegt aber nicht am schlecht ausgebauten Netz, sondern schlicht an schlechtem Management, meint Greenpeace in einer am Dienstag erschienenen Studie . Nach Einschätzung der Umweltschutzorganisation könnten mehr als dreimal so viele Direktzüge zwischen europäischen Großstädten verkehren wie bisher, ohne dass dafür neue Gleise gebaut werden müssten. Auch Verbindungen zwischen Berlin und London, Hamburg und Amsterdam oder Paris und Rom ließen sich einrichten.
Greenpeace analysierte für die Untersuchung nach eigenen Angaben insgesamt 990 Strecken zwischen 45 Metropolen in Europa. Eine direkte Verbindung wäre auf 419 dieser Strecken mit dem Tag- oder Nachtzug innerhalb von weniger als 18 Stunden möglich. Tatsächlich fahre jedoch lediglich auf 114 dieser Routen ein Direktzug.

Filstalbrücke auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke Wendlingen-Stuttgart-Ulm: Bis 2030 soll sich der europäische Hochgeschwindigkeitsverkehr laut Deutscher Bahn verdoppeln
Foto: Arnulf Hettrich / IMAGO»Das bestehende Netz muss dringend kundenfreundlicher genutzt werden«, forderte Lena Donat von Greenpeace. Viele Menschen wollten klimaschonend mit der Bahn reisen, aber zu oft fehlten attraktive Angebote. Regierungen und Bahngesellschaften könnten das ändern, »ohne auch nur einen Kilometer neuer Gleise zu bauen«.
In Deutschland sind der Greenpeace-Untersuchung zufolge Berlin und München am besten an das europäische Netz angebunden. Dort sei aber nur knapp die Hälfte der möglichen direkten Zugverbindungen eingerichtet. In Wien, dem Spitzenreiter unter den 45 Metropolen, werden 60 Prozent der möglichen Direktzüge angeboten.
335 der untersuchten 419 Verbindungen zwischen den Städten seien indes mit dem Flugzeug zu erreichen. »Wenn verlässliche und bequeme Direktzüge fehlen, darf sich niemand wundern, dass Menschen auch auf kurzen Strecken in den Flieger steigen«, kritisierte Donat. Zugfahren in Europa müsse einfacher werden, mit besseren Verbindungen und einem einheitlichen Buchungssystem.
Deutsche Bahn: »Von Land zu Land unterschiedlich«
Ganz so einfach, wie es Greenpeace darstelle, sei es jedoch nicht, kontert die Deutsche Bahn auf Nachfrage des SPIEGEL. »Eine der größten Herausforderungen bei den Direktverbindungen in Europa sind die technischen und infrastrukturellen Herausforderungen, die leider von Land zu Land in Europa unterschiedlich geregelt sind, zum Beispiel beim Strom- und Zugsicherungssystem«, erklärte ein Bahnsprecher. »Außerdem stehen nicht immer genügend Streckenkapazitäten für einen weiteren Ausbau der Verbindungen zur Verfügung.«
Der Konzern verweist auf einzelne Verbesserungen, wie die seit diesem Jahr bestehende Direktverbindung zwischen Frankfurt am Main und Heidelberg nach Bordeaux. Für eine »Harmonisierung der Infrastruktur« bräuchte es noch mehr europäische Abstimmung. Laut einer Studie der Deutschen Bahn aus dem vergangenen Jahr soll der europäische Hochgeschwindigkeitsverkehr mit einer Verdoppelung bis 2030 und einer Verdreifachung bis 2050 einen wichtigen Beitrag zur CO₂-Reduktion im Transportsektor erbringen. Dafür müssten aber laut der Studie insgesamt 21.000 Kilometer Schienennetz europaweit neu- und ausgebaut werden.
Gleichzeitig verwies die DB auf den »boomenden« internationalen Bahnverkehr. Im vergangenen Jahr seien 24 Millionen Fahrgäste grenzüberschreitend unterwegs gewesen, 21 Prozent mehr als 2019.