Waldsterben Deutsche Baumarten sind auf dem Rückzug
Verknöcherte Eichen, abgestorbene Fichten: Viele Wälder, durch die Menschen in Deutschland gerade jetzt im Urlaub häufig streifen, wird es nach Ansicht von Forstexperten nicht mehr lange geben. »Man stellt sich den Wald gern so vor wie in seiner Kindheit, aber die Wälder verändern sich jetzt«, sagt Henrik Hartmann, Leiter des Instituts für Waldschutz am Julius Kühn-Institut in Quedlinburg.
Vor allem verändert der Klimawandel, welche Baumarten in deutschen Wäldern künftig wohl zu finden sind. »Wir können heimische Baumarten behalten, aber nicht alles, was bisher heimisch war, wird Ende des Jahrhunderts noch heimisch sein«, so Hartmann. Spezies aus anderen Weltregionen sind zunehmend besser an die Bedingungen hierzulande angepasst. Man solle diese nicht als fremdländische Arten betrachten, sagt der Wissenschaftler, »sondern vielleicht als zukünftig heimische Art«.
Eine neue europäische Studie, an der aus Deutschland das Thünen-Institut für Waldökosysteme beteiligt war, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Wälder in Zukunft um Bäume aus anderen Regionen ergänzt werden sollten. Diese seien am besten an das künftige Klima angepasst, heute gepflanzte Bäume müssten mit dem Klima in 100 Jahren zurechtkommen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift »Nature Climate Change« veröffentlicht.
Forstfachleute begutachten einen Laubwald in Thüringen: Den deutschen Wald umbauen
Foto: Sebastian Willnow / dpaFichte ist am meisten bedroht
Die heimischen Baumarten leiden unter den Folgen des Klimawandels. Hitzewellen, lange Trockenperioden und Stürme schwächen sie, gleichzeitig profitierten viele Schädlinge wie Insekten und Pilze von den steigenden Temperaturen:
Fichten weisen die höchste Absterberate aller Baumarten auf. Über Jahrhunderte setzte die Forstwirtschaft auf die schnell wachsenden Bäume, überall entstanden Reinbestände – die in den vergangenen Jahren ein gefundenes Fressen für die Larven der Buchdrucker-Borkenkäfer waren. In manchen Regionen wie dem Harz traten die Insekten seit 2018 in solchen Massen auf, dass es dort kaum noch alte Fichtenwälder gibt. (Lesen Sie hier mehr über das Waldsterben im Harz – und wie die Menschen dort über den Wiederaufbau streiten.)
Eichen hingegen sind das Opfer des Zweipunktigen Eichenprachtkäfers, dessen Larven ähnlich wie die des Borkenkäfers unter der Rinde leben. In einigen Regionen hat der Käfer schon bestandsbedrohende Schäden an Stiel- und Traubeneichen verursacht. Bei der jüngsten Waldzustandserhebung wiesen fast die Hälfte der untersuchten Eichen eine deutliche Kronenverlichtung auf.
Buchen machen derzeit noch 16 Prozent unserer Wälder aus – doch auch ihnen geht es häufig nicht gut. »Am Ende des Jahrhunderts werden es die Buchen nicht mehr schaffen, 30 bis 40 Meter hoch zu wachsen, die Wälder werden lichter und niedriger«, prognostiziert der Quedlinburger Institutsleiter Hartmann. Hinzu kommt die sogenannte Buchenkomplexkrankheit, die häufig nach Hitze oder Dürre auftritt. »Es geht los mit Rissen am Stamm und einem Schleimfluss.« Dann löse sich die Rinde, das Holz faule, und es kämen verschiedene Pilze und holzbrütende Insekten wie der Buchen-Borkenkäfer.
Ahorne leiden unter dem Pilz Cryptostroma corticale. Befällt er einen Baum, blättert die Rinde flächig ab, darunter kommt rußartiger schwarzer Staub zum Vorschein: Sporen des Pilzes. Die sogenannte Rußrindenkrankheit sei vor zehn Jahren noch überhaupt kein Thema unter Förstern gewesen, sagt Hartmann, jetzt aber seien ganze Bestände davon befallen. »Das geht in der Regel auch tödlich aus für den Baum.«
Eschen werden durch das Eschentriebsterben massiv dezimiert, und wieder liegt das an einem Pilz: dem Falschen Weißen Stängelbecherchen (Hymenoscyphus pseudoalbidus). Befällt er Bäume, sterben Triebe und Zweige ab, Blätter verwelken und vertrocknen, der Stamm verfärbt sich – schließlich stirbt die Esche.
Der Waldbauexperte Ralf Petercord aus dem Forstministerium Nordrhein-Westfalen hat die Esche eigentlich schon aufgegeben, auch Bergahorn und Rotbuche sieht er sehr kritisch. Die Entwicklung bei der Eiche sei ebenfalls nicht gut. »Die Hauptbaumarten werden alle an Fläche verlieren«, ist er sich sicher.
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Dafür hätten andere Arten die Chance, viel häufiger in Deutschland zu stehen: die Hainbuche etwa, die Flatterulme oder auch die Erle.